Bürgerantrag Abwahl Bürgermeister – wir beantragen eine externe gutachterliche Stellungnahme
Wir halten die Ablehnungsbegründung der Verwaltung für rechtlich angreifbar

Bürgerantrag Abwahl Bürgermeister – wir beantragen eine externe gutachterliche Stellungnahme

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Bürgerantrag Abwahl Bürgermeister – wir beantragen eine externe gutachterliche Stellungnahme

Am 22.02.24 trifft der Alfterer Rat eine wichtige Entscheidung: Er entscheidet über die Zulässigkeit des Bürgerantrages zur Abwahl des Bürgermeisters. Die Ratsmitglieder müssen di ...

Am 22.02.24 trifft der Alfterer Rat eine wichtige Entscheidung: Er entscheidet über die Zulässigkeit des Bürgerantrages zur Abwahl des Bürgermeisters. Die Ratsmitglieder müssen die Entscheidung neutral und unabhängig von einer politischen Bewertung fällen.

Die Verwaltung hält den Bürgerantrag für unzulässig. Wir halten einen wesentlichen Teil der Begründung der Verwaltung für fragwürdig. Sollte die Rechtsmeinung der Verwaltung vor einem Gericht scheitern, wäre das ein großer Schaden für das Ansehen von Rat und Verwaltung.

Wir haben deshalb die Beauftragung einer externen gutachterlichen Stellungnahme beantragt und unsere Bedenken begründet. Lesen Sie hier im Folgenden den vollständigen Antragstext:

Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER Alfter

Bezug: Bürgerantrag zur Einleitung des Abwahlverfahrens des Bürgermeisters gem. § 66 GO NRW

hier: Beauftragung einer externen gutachterlichen Stellungnahme

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Frau Wiechert, sehr geehrter Herr Heinrich,

es bestehen Zweifel, ob die dargestellte Rechtsauffassung der Verwaltung zutreffend ist. Nur auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beurteilung kann der Rat eine rechtmäßige Entscheidung zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens treffen. Vor dem Hintergrund, dass die Verwaltung keine externe juristische Expertise in dieser komplexen Frage vorab eingeholt hat, halten die FREIEN WÄHLER Alfter es für notwendig, dass die Gemeindeverwaltung vor dem Beschluss über die Zulässigkeit des Bürgerantrages durch den Rat eine unabhängige externe Rechtsmeinung zur Frage der Gültigkeit der 654 Stimmen einholt, die wegen einer angeblich „unrichtigen Begründung“ „in einer wesentlichen Tatsache“ auf der Rückseite von Unterschriftenlisten von der Verwaltung als ungültig gewertet wurden. Die Gültigkeit oder Nichtgültigkeit dieser Stimmen entscheidet über den Ausgang des Verfahrens.

Antrag:
Die Verwaltung wird beauftragt, eine externe, gutachterliche Stellungnahme über die Gültigkeit der 654 Stimmabgaben als Grundlage für eine Entscheidung des Gemeinderates über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens einzuholen. Dabei soll geprüft werden, ob die Rechtsmeinung der Verwaltung zutreffend ist und einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

Begründung:
Die Verwaltung hält den Bürgerantrag für das Abwahlverfahren für unzulässig. Im Wesentlichen deshalb, da die Rückseite einiger Unterschriftenlisten eine Begründung enthalte, die in Bezug auf eine wesentliche Tatsache unrichtig sei. Damit werden 654 Stimmen nicht gewertet. Bei Gültigkeit dieser 654 Stimmen hätte der Bürgerantrag die notwendigen Stimmenzahl erreicht.

Die Verwaltung bezieht sich auf die folgenden Sätze:

„In vielen Nachbarkommunen sind die massiven Grundsteuererhöhungen schon vollzogen. Wir können noch etwas ändern! BITTE UNTERSCHREIBEN SIE DAHER DIE LISTE AUF DER RÜCKSEITE!“.

Die Verwaltung führt dazu aus: “Hierbei handelt es sich um eine falsche Tatsachenbehauptung, da mit der Unterschrift zur Abwahl des Bürgermeisters Dr. Rolf Schumacher keineswegs die Grundsteuererhöhung abgewendet werden kann.” Den Unterzeichnenden würde durch die Formulierung „Wir können noch etwas ändern!“ suggeriert, dass sie mit ihrer Unterschrift zum Abwahlbegehren die Grundsteuererhöhung, die der Rat durch seine Hebesatzsatzung beschließt, abwenden könne.

Gem. § 26 II 1 NWGO zählt eine Begründung zum zwingenden Inhalt eines Bürgerbegehrens. Die Begründung dient dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären. Diese Funktion erfüllt die Begründung nur, wenn die dargestellten Tatsachen, soweit sie für die Entscheidung wesentlich sind, zutreffen. Hierbei verkannte der entscheidende Senat nicht, dass die Begründung auch dazu dient, für das Bürgerbegehren zu werben, und damit auch Wertungen, Schlussfolgerungen oder Erwartungen zum Ausdruck bringen kann, die einer Wahrheitskontrolle nicht ohne weiteres zugänglich sind. Auch mag die Begründung eines Bürgerbegehrens im Einzelfall Überzeichnungen und Unrichtigkeiten in Details enthalten dürfen, die zu bewerten und zu gewichten Sache des Unterzeichners bleibt1. Diese aus dem Zweck des Bürgerbegehrens folgenden Grenzen der Überprüfbarkeit seien jedoch überschritten, wenn Tatsachen unrichtig wiedergegeben werden, die für die Begründung tragend sind. Auf diesen Aspekt stützt sich die Verwaltung.

In den Sätzen „In vielen Nachbarkommunen sind die massiven Grundsteuererhöhungen schon vollzogen. Wir können noch etwas ändern! BITTE UNTERSCHREIBEN SIE DAHER DIE LISTE AUF DER RÜCKSEITE!“ steckt die Tatsachenbehauptung, dass die Bürgerschaft etwas ändern kann.

Aus diversen öffentlichen Darstellungen der Antragsteller wird ersichtlich, dass mit der Unterschrift zur Abwahl des Bürgermeisters ein Wechsel an der Verwaltungsspitze herbeigeführt werden soll. Die Antragsteller erhoffen sich für die Zukunft der Gemeinde eine andere Finanzpolitik und in der Folge niedrigere Hebesätze für die Grundsteuer und damit eine geringere Belastung ihrer persönlichen Finanzsituation.

Der Argumentation der Verwaltung liegt zu Grunde, dass Sie den Antragstellern zuschreibt, hier zwei Verfahren zu vermischen – das Abwahlverfahren des Bürgermeisters und den Ratsbeschluss zur Festlegung des Hebesatzes und dass derjenige, der die Unterschrift leisten soll, an dieser Stelle über seine realistische Möglichkeit, an der momentanen Finanzpolitik der Gemeinde etwas ändern zu können, getäuscht würde.

Dabei lässt die Verwaltung außer Acht, dass viele verschiedene, auch politische Faktoren, Einfluss auf den tatsächlichen Hebesatz nehmen. Wie der Prozess um den Hebesatz für die Grundsteuer für das Jahr 2024 in der Gemeinde Alfter für alle Bürger transparent gezeigt hat, hat der Bürgermeister als Chef der Verwaltung Ende des Jahres 2022 für das Jahr 2024 zunächst eine Hebesatzerwartung von 1500 Prozentpunkten vorgelegt. Nachdem sich seitens der Bürgerschaft massiver, dauerhafter Widerstand hiergegen abzeichnete und die Ratsfraktionen seit Ende des Jahres 2022 in Beratungen zu Haushaltskonsolidierung eingetreten sind, schrumpfte dieser Hebesatz für das Jahr 2024 auf 995 % in der Vorlage zur entscheidenden Ratssitzung. Es ist aus Sicht der Antragsteller daher nicht abwegig, auf die Idee zu kommen, dass auch der Bürgermeister Einfluss auf die Höhe des Hebesatzes nimmt.

Mit der Bekanntgabe von Zwischenständen der Unterschriftenanzahl wurde von den Antragstellern fortwährend Druck auf die Verwaltung und die politisch Verantwortlichen bis zur Entscheidung über den Grundsteuerhebesatz erzeugt, der erst wenige Tage vor Ablauf der Unterschriftensammlung in der Ratssitzung am 07.12.2023 gefasst wurde.

Vor dem Hintergrund, dass die Hebesätze jährlich festgelegt werden ist es nicht ausgeschlossen, dass mit einem Wechsel des Bürgermeisters in der nachfolgenden Ratsperiode ganz grundsätzlich eine andere Haushaltspolitik Einzug hält, die niedrigere Hebesätze in den Folgejahren nach sich ziehen kann. Den Antragstellern kann nicht unterstellt werden, nur das kommende Haushaltsjahr im Blick zu haben. Sie könnten auch spätere Jahre im Blick gehabt haben, auf die sie die Hoffnung setzen könnten, dass durch eine Änderung an der Spitze des Rathauses eine andere Mittelverwendung angesteuert wird oder auch ein stärkeres Engagement hinsichtlich weiterer Einnahmen stattfindet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob dem eine Täuschungsabsicht der Antragsteller wie von der Verwaltung unterstellt zugrunde lag2. Denn maßgebend für eine inhaltliche Kontrolle der Begründung ist allein das Ziel, Verfälschungen des Bürgerwillens vorzubeugen. Auf den Grund der unrichtigen Sachdarstellung kommt es deshalb nicht an3.

Die Initiatoren haben auf den als ungültig bewerteten Unterschriftenlisten, weiterhin auf Ihrer Internetseite und Werbezetteln dargelegt, dass ein Bürgerbegehren gegen eine Erhöhung der Steuern nicht möglich ist und mit der Abwahl des Bürgermeisters Hoffnung auf eine andere Finanzpolitik geweckt werden kann. Den Antragstellern kann somit nicht der Versuch unterstellt werden, den Bürgerwillen zu verfälschen.

Die wesentliche Tatsache in der Begründung der Antragsteller, dass die Bürgerschaft noch etwas ändern kann, ist richtig.

Die Feststellung, dass der Bürgerantrag unzulässig ist, kann daher aus unserer Sicht nicht ohne weitere Prüfung getroffen werden. Die Unterschriften von 654 Personen sind ein zu hohes Gut, das nicht mit der Begründung aus der Vorlage ohne externe Prüfung vom Tisch gewischt werden sollte.

Mit freundlichen Grüßen,

Bolko Graf Schweinitz (Fraktionsvorsitzender), Sandra Semrau (Stellvertretende Fraktionsvorsitzende)

1 vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 6. 2. 1996 – 7 A 12861/¬¬95 –, NVwZ-RR 1997, S. 241 [243]; Spies, Bürgerversammlung, Bürgerbegehren, Bürgerentscheid, S. 168

2 vgl. aber Wansleben, a. a. O., § 26 GO Erl. 4; Ritgen, a. a. O., S. 140

3 NVwZ-RR 2002, 766, beck-online